Am 30. April 1991 lief im sächsischen Zwickau bei der Sachsenring Automobilwerke GmbH bekanntermaßen der letzte Trabant vom Band. Der Letzte, der damals die Werkshallen verließ, war ein 1.1 Universal. Nach insgesamt 3.096.099 Fahrzeugen vom Typ „Trabant“ wurden die Werkstore der Sachsenring Automobilwerke Zwickau für immer geschlossen.

Für immer? Nicht ganz... In den Jahren 1995/96 sollte es noch eine „Last Edition“ geben. Erst diese 444 Trabant waren es, die den Schlusspunkt unter die Geschichte der Trabant-Produktion setzen sollten. Doch das ahnte am letzten Apriltag des Jahres 1991 noch niemand.



Zur Zeit der Werksschließung -damals war ich gerade einmal fünfeinhalb Jahre alt- begeisterte ich mich schon für den Trabant. Meine Leidenschaft für das Auto, dass die DDR bewegte, begann bereits ein Jahr zuvor im April 1990. Seit diesem Zeitpunkt ließ mich die Faszination für den „Plastebomber“ nicht mehr los - bis heute. So kam es dann auch, dass mein erstes eigenes Auto natürlich ein Trabant war. Es war ein gletscherblauer 601S mit papyrusweißem Dach.


Seit jeher träumte ich davon einmal einen ganz neuen Trabant zu besitzen. Im Jahr 1995 brachte der Privatsender RTL einen kurzen Beitrag über die letzten 444 Trabant. Der Kaufpreis lag bei 19.444,- DM (mangels Nachfrage wurde der Preis später auf 14.950,- DM und zuletzt auf 9.999,-DM gesenkt). Damals war ich gerade zehn Jahre alt und meine Eltern lehnten meine Bitte einen solchen Trabant zu kaufen natürlich ab. Ich erinnere mich, dass ich damals sehr traurig darüber war. Mit fortschreitendem Alter und dem ersten Internetzugang vereinfachte sich die Autosuche. Im Laufe der Jahre schaute ich regelmäßig in den gängigen Onlineportalen nach Angeboten von (fast) ungefahrenen 601er und 1.1ern. Ein wirklich passendes Fahrzeug konnte ich jedoch nicht finden und so vergingen die Jahre...


Dann, am 11. April 2020 postete ein guter Bekannter aus Thüringen, bei dem ich in der Vergangenheit schon mehrere Trabant und Wartburg kaufte, in seinem Whatsapp-Status ein Bild von einem Wartburg 312. Im Hintergrund stand eine offensichtlich neu lackierte Trabant 1.1 Universal Karosserie. Das Bild machte mich neugierig. Ich fragte also nach, was er mit dem Wagen vor hatte und ob dieser neu aufgebaut werden sollte. Seine Antwort haute mich im wahrsten Sinne des Wortes um. Er schrieb, dass es sich bei dem 1.1er um ein Fahrzeug aus der „Last Edition“ handele. Es sei also einer der letzten 444 Trabant (Nr. 420). Außerdem sei der Wagen gerade einmal 126 km gefahren worden. Trotz dieser unglaublich geringen Laufleistung hätte der Trabant dennoch Rostschäden gehabt. Da das Auto bis auf die letzte Schraube zerlegt worden sei, werde es nach Fertigstellung „ein Auto fürs Leben“. Weiter schrieb er, dass der Trabant nach dem Neuaufbau verkauft werden solle. Er gab auch schon einen ungefähren Preis an. Da dies die vielleicht letzte Gelegenheit sein könnte einen Trabant quasi als Neuwagen zu bekommen, nahm ich mir vor meiner Frau Jessica davon zu erzählen. Als ich an diesem Abend von der Arbeit nach Hause kam, schaute ich ihr tief in die Augen und sagte zu ihr, dass wir einen neuen Trabant kaufen müssten. Sie wirkte erstaunt und fragte als erstes nach dem Preis. Als ich ihr etwas zögerlich sagte, was der Trabi am Ende kosten sollte, sagte sie nur „Ach ja, okay.“. Ich war erstaunt, dass meine bessere Hälfte dem Ganzen einfach so zustimmte, ohne mit der Wimper zu zucken. Im Stillen dachte ich für mich, dass ich definitiv die richtige Frau geheiratet habe!


In den folgenden Wochen und Monaten blieb ich mit meinem Bekannten wegen des Trabants in engem Kontakt. Die Neugierde auf den aktuellen Stand des Neuaufbaus war natürlich groß und deshalb wollte ich mir das Auto bzw. die Karosserie auch gern mal selbst anschauen. Wir vereinbarten, dass Jessica, unser Sohn Theo und ich meinen Bekannten am 21.06.2020 in Thüringen besuchten. An diesem Tag waren wir drei auf dem Weg in den Urlaub nach Röblingen am See und Cottbus, weshalb wir nur einen kleinen Umweg in Kauf nehmen mussten. Am Zwischenziel angekommen, sahen wir neben der noch unvollständigen Universal-Karosserie auch eine delphingraue 1.1 Limousine, die parallel wieder auf die Straße gebracht werden sollte. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch nie einen 1.1er gefahren und konnte nicht so recht einschätzen, ob mir der Viertakter vom Fahrgefühl her überhaupt gefallen würde. In der Szene hörte ich immer wieder Stimmen, die beispielsweise sagten: „Ein 1.1er ist kein richtiger Trabant!“. Dies verunsicherte mich, weshalb ich noch zögerte den 1.1 Universal wirklich zu kaufen. Hier konnte mein Bekannter jedoch Abhilfe schaffen. Er bot mir an, dass ich erst einmal für einige Zeit die Limousine fahren könnte, sobald diese fertig wäre. So könnte ich schauen, ob mir ein 1.1er gefällt, oder ob ich lieber beim Zweitakter bleiben wollte. Das Angebot nahm ich natürlich gerne an.



Am 07. August 2020 wurde mir dann per Anhänger der gerade fertig gewordene „Vorführwagen“ gebracht. Zwecks Oldtimerzulassung, die erst am 28. August möglich war, da der Trabant an diesem Tag seinen 30. Erstzulassungstag hatte, musste ich noch auf die Kennzeichen und die Papiere warten. Bereits bei der ersten kleinen Probefahrt (noch mit roten Kennzeichen) machte mir der 1.1er großen Spaß. Zugegeben, das typische Motorgeräusch des Zweitakters und der Geruch des Benzin-Öl-Gemischs fehlten mir schon ein wenig, aber die Fahrleistungen überzeugten mich sofort. Mit seinem 1,1 Liter Motor und den originalen 40 PS ist der Trabant natürlich kein Rennwagen, aber bei uns in den Bergen des Sauerlandes schwimmt er doch schon deutlich besser im Verkehr mit als unser 26 PS starker 601S.


Mit jeder einzelnen Fahrt, z.B. zu meinen Schwiegereltern ins rund 40 km entfernte Erndtebrück, wuchs die Begeisterung für den Viertakter. Langsam aber sicher fällten Jessica und ich die Entscheidung den 1.1 Universal tatsächlich zu kaufen. Bis wir letztlich fest zusagten, verging allerdings doch noch eine Weile. Ich erhielt immer wieder Infos und Bilder vom aktuellen Stand des Neuaufbaus und freundete mich immer mehr mit dem Gedanken an den Trabant zu kaufen. Am Abend des 3. Februar 2021, Theos erstem Geburtstag, machten wir dann den Deal fest. Aufgrund des Lockdowns wegen der Corona-Pandemie wickelten wir den Kaufvertrag online ab. Eine Anzahlung machte ich noch am selben Abend.


In den darauffolgenden Wochen erhielt ich weiterhin immer wieder Fotos von den Fortschritten und meine Vorfreude stieg stetig. Die Fertigstellung und Abholung unseres „Neuwagens“ war zunächst für Anfang April angedacht. Der Termin verzögerte sich allerdings, sodass mein Bekannter und ich irgendwann den 30. April 2021, also den 30. Jahrestag des Produktionsendes des Trabants anvisierten. Aus gesundheitlichen Gründen ließ sich allerdings auch dieser Termin nicht einhalten. Es wurde also letztlich Juli, bis der Trabant fix und fertig war. Die HU/AU bestand der 1.1 bereits am 15. Juni 2021 – selbstverständlich ohne Mängel. Am 06. Juli 2021 konnte ich den Wagen zulassen, da mir die Papiere bereits per Post nach Hause geschickt worden waren. Aufgrund des Kennzeichenausschnittes in der Frontstoßstange, durfte das Kennzeichens maximal 460 mm lang sein. Die Auswahl an kurzen Kombinationen ist bei uns im Hochsauerlandkreis allerdings sehr begrenzt, da es bei uns leider nicht die Möglichkeit gibt die ehemaligen Kürzel BRI (Brilon), MES (Meschede) oder AR (Arnsberg) zu wählen. Andere Landkreise haben da einen entscheidenden Vorteil und dadurch mehr Wahlmöglichkeiten. Ich hatte aber Glück und fand dann letztlich doch eine passende Kombination: HSK T 29. Das T steht für unseren Sohn Theo und für Trabant, die 29 steht für den 2. September (Geburtstag von Jessica).


Zum Abstimmen der letzten Details bzw. zur „Abnahme“ wollte ich eigentlich nochmal nach Thüringen fahren. Dies scheiterte jedoch, da immer etwas dazwischen kam. Sei es mein Dienstplan oder aber auch das ein oder andere unvorhergesehene Problem, wie z.B. ein undichter Tank. Letztlich verzichteten wir auf eine persönliche Abnahme vor Ort, da mein Bekannter am letzten Juli-Wochenende einen Teil seiner Familie ganz in meiner Nähe besuchte und er auf diesem Wege den Trabant mitbringen konnte.



Am Samstag, den 31.7. war es dann also soweit. Ich war furchtbar aufgeregt und die Vorfreude war riesig. Mein Bekannter hatte mir vorab von unterwegs eine WhatsApp-Nachricht gesendet mit der ungefähren Ankunftszeit. Ab etwa 11.00 Uhr warteten Theo, Jessica und ich am vereinbarten Treffpunkt, an der Kirche in Züschen. Dann, gegen 11.20 Uhr kam endlich der schwarze Mercedes vorgefahren mit unserem neuen Trabant 1.1 Universal auf dem Anhänger. Nachdem wir uns begrüßt hatten und bereits die ersten Fotos „im Kasten“ waren, luden wir den Wagen ab. Da stand er nun, der Traum in togaweiß. Die Freude war riesengroß. Auch Theo war begeistert und hätte am liebsten gleich auf dem Fahrersitz Platz genommen. Hatte ich ihm doch in den fast 1 ¼ Jahren Wartezeit immer wieder die neuesten Bilder, sowie das originale Werbeplakat im Treppenhaus gezeigt und nun stand der „Neuwagen“ tatsächlich vor uns.




Wir begutachteten den Trabant von allen Seiten. Das lange Warten hatte sich gelohnt. Natürlich machten Theo und ich sofort eine kurze Probefahrt. Es war toll, alles fühlte sich wirklich wie neu an, sei es die Maserungen am Lenkrad oder die Polsterung der Sitze. Wieder zurück an der Kirche fachsimpelten wir noch ein wenig. Dann musste mein Bekannter leider schon weiter. Nachdem wir uns voneinander verabschiedet hatten und ich noch ein paar Fotos gemacht hatte, brachte ich den Trabant in sein neues zu Hause. Hier wartet er jetzt immer auf schönes Wetter und die nächste Ausfahrt.





Nach anfänglicher Euphorie merkte ich im Laufe der Zeit mehr und mehr, dass ich mit dem Viertakter auf Dauer nicht glücklich werden würde. Ich hatte das Glück, dass der damalige Verkäufer des 1.1ers im Jahr 2022 einen nilbraunen Trabant 601X neu aufbaute. Gegen diesen tauschten wir im März/April 2023 unseren 1.1er. 


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